Hannovers fünfte Jahreszeit

Ich wurde gebeten sorgfältig zu prüfen, ob Hannoveraner Schützenfest-Verhältnisse wirklich mit Karneval vergleichbar sind.
Der Auftrag wurde gestern gewissenhaft und ausgiebig ausgeführt. Here are the results of the Cologne jury:

Zunächst einmal zu den Gemeinsamkeiten: man muss lange anstehen, um in eine Lokalität reinzukommen (wenn man nicht, wie wir glücklicherweise, VIP-Karten hat), drinnen ist voll, eng, heiß, laut, feucht-fröhlich, es wird getanzt, getrunken, geflirtet, gesungen und gegrölt.

Nun zu den Unterschieden: dies alles passiert (laut Auskunft einheimischer Begleiter) nur in diesem einen Zelt, der Rest der Stadt und sogar des Schützenplatzes bleibt davon unberührt; es gibt Pils statt Kölsch; es darf nicht geraucht werden, weshalb man die Luft atmen kann; die Musik ist um einiges schlechter und teilweise jenseits der Toleranzschwelle ( die z.B. mit diesem oder diesem Sänger eindeutig überschritten wird); es wird zwar teilweise kölsches Liedgut gespielt (ohne das in Deutschland wohl auf keiner Feier Stimmung erzeugt werden kann), aber zum Schunkeln ist niemand zu bewegen; keiner ruft „Alaaf“, nicht mal „Helau“; das Publikum ist älter, deutlich unattraktiver und unkostümiert (ich fürchte, was manche Niedersachsen da anhatten, war ernst gemeint); und man bekommt problemlos ein Taxi für die Heimfahrt.

Was die Musik und die Gäste betrifft, muss zur Ehrenrettung allerdings gesagt werden, dass deren Qualität am Samstag wohl unterdurchschnittlich war, da das Publikum zum Großteil aus solchen Leuten bestand, die man in New York „Bridge and Tunnel People“ nennt (also quasi die Bergheimer Hannovers). Der Hannoveraner an sich geht traditionell eher Dienstags auf’s Fest und nimmt sich am Mittwoch frei (was meine Begleiter auch schon getan hatten).

Als Fazit könnte man sagen: das Hannoveraner Schützenfest ist mit dem Kölner Karneval natürlich überhaupt nicht vergleichbar, die Niedersachsen wissen aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus zu feiern. Wobei deren angeblich so spröde Art in keinster Weise festzustellen war: scherzen in der Schlange vorm Männerklo, Walzer tanzen mit wildfremden Frauen, schäkern mit der Thekenfrau, auf den Tischen tanzen – das alles gibt es hier genauso wie im Rheinland. Vielleicht ist die angeblich so lockere Art der Kölner auch gar nicht so besonders und die sie reden sich da etwas ein, was gar nicht (mehr) zutrifft…

NB: Mein erster Versuch, Lütje Lage zu trinken, war übrigens auch mein letzter. Abgesehen davon, dass es auf Grund der Nachfrage ewig dauert eine zu bekommen und sie beschissen schmeckt, muss ich auch noch erst lernen, wo sich der Schwerpunkt eines damit halbvollen Tabletts befindet, wenn man es auf die Tischkante stellt. Schließlich sollen Bier und Korn im Mund gemischt werden und nicht auf dem Fußboden bzw. meiner Hose…

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3 Antworten to “Hannovers fünfte Jahreszeit”

  1. Sonntagsspaziergang « An die Leine gelegt Says:

    […] An die Leine gelegt Ein Westfale aus Köln in Hannover « Hannovers fünfte Jahreszeit […]

  2. Frohes Neues! « An die Leine gelegt Says:

    […] versuchen aber redlich, dies durch andere Traditionen des geselligen Beisammenseins wettzumachen. Schützenfest und Fußball hatte ich ja bereits ausprobiert, gestern kam eine weitere dazu: mittäglicher […]

  3. Schützenfest reloaded « An die Leine gelegt Says:

    […] By Smithee Letztes Jahr hatte ich den Fehler gemacht, am Wochenende aufs Schützenfest zu gehen – diesmal befolgte […]

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