Archive for the ‘Theater’ Category

Weiteres Fenster zur Stadt

22. Dezember 2009

Ich lese gerne Haruki Murakami (auch wenn mich die Gefährliche Geliebte, die ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe, etwas enttäuscht hat); seine Geschichten sind skurril und nicht immer ganz leicht zu verstehen, aber immer unterhaltsam.

Gleiches gilt auch für five spot after dark, die neuste Produktion des Theaters Fensterzurstadt. Mit einer alten Tankstelle wurde wieder mal eine tolle Location gefunden, um die herum das Stück inszeniert wird . Die Handlung des Stückes lässt sich allerdings kaum wiedergeben, weil es eine solche im eigentlichen Sinne nicht gibt. Das Stück ist eine Collage aus Texten Murakamis, musikalisch untermalt, toll gespielt, mit sehr netten Details garniert, und insofern durchaus sehenswert – auch wenn sich der tiefere Sinn nur schwer erschließt. Wenig weihnachtlich (obwohl der noch liegende Schnee gut zum Südpol passte, an dem die ersten Szenen spielen), und deshalb auch im neuen Jahr empfehlenswert.

Werbung

Fenster zur Stadt

21. Juni 2009

Von 1919 bis 2008 wurden in dem ehemaligen Elektrofachgeschäft Lingenfelder in Linden Lampen und elektronisches Zubehör verkauft. Davor war in dem Laden eine Bäckerei, der zugemauerte Ofen befindet sich noch im hinteren Teil. Auch das Viertel um das Geschäft herum hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr verändert. Viele Menschen haben es verlassen, andere, vor allem Immigranten, sind zugezogen.
Das Geschäft wird jetzt für Theater genutzt: hannover mon amour: lingenfelder heißt das Stück, in dem es um die Veränderungen im Leben geht, mit denen die Menschen unterschiedlich umgehen. Martin, der den Elektroladen betreibt, krankt an der neuen Zeit, in der es normal ist, einen neuen Toaster zu kaufen, statt den alten reparieren zu lassen. Seine Frau hat sich längst einem anderen Mann zugewandt, mit dem sie heimlich Lampen aus dem Laden schmuggelt und für die gemeinsame Zukunft verkauft. Dann ist da noch eine etwas verwirrte Kundin, deren Steckdose Martins Stecker magisch anzieht, zwei Räuberinnen, die die Vergangenheit des Ladens plündern, und eine Bäckereiverkäuferin in ihrer gestärkten Schürze als Geist aus eben dieser Vergangenheit. 
Die Geschichte ist dabei gar nicht so wichtig und auch eher banal. Dem Theater Fensterzurstadt gelingt es aber mit Musik- und Lichteffekten und vor allem der geschickten Einbeziehung der Straßen und Passanten vor dem Schaufenster ein unterhaltsames und beeindruckendes Stück zu inszenieren und ihrem Namen damit alle Ehre zu machen.

Fast wie im Theater ging es auch im Sansibar-Zelt auf dem Opernplatz weiter: lauter Selbstdarsteller und schräge Charaktere dort, und man hatte ordentlich zu gucken (und auch zu lästern…).

Anaesthesia

14. Juni 2009

Wurde kürzlich hier noch das Theaterpublikum dieser Stadt für seine Offenheit gegenüber neuen Formen gelobt, so scheint das für das Publikum klassischer Musik nur eingeschränkt zu gelten: schätzungsweise nur halb gefüllt war die Orangerie heute bei Anaesthesia, einer „Pasticcio-Oper zum 250. Todestags G.F. Händels.“

Das Stück war allerdings auch nicht unbedingt auf den ersten Blick zugänglich. Ein aufmerksamerer Blick in das Programmheft hätte mich gleich informiert, dass Anaesthesia kein Stück mit logischer Handlung ist, sondern ein Tableau Vivant „mit kleinen und großen Momenten, die sich zu einem narrativ losen, aber künstlerisch stringenten Stück verweben.“ Und nachdem mir das klar war und ich nicht mehr versuchte, einen Handlungsfaden zu entdecken oder die Sinnhaftigkeit des Gezeigten zu verstehen, konnte ich mich ganz auf die teils opulenten, teils minimalistischen Bilder, die hervorragenden Sänger, die exzellenten Musiker sowie die ausgezeichneten Schauspieler mit ihrer ausgeklügelten Choreografie und einige hübsche oder witzige Regieeinfällen einlassen – und natürlich auf die wunderbare Musik Händels!

Theaterformen

13. Juni 2009

Ziemlich spät fiel mir auf dass das momentan stattfindende Festival Theaterformen so heißt, weil es viele verschiedene und neue Formen des Theaters präsentiert. Eine sehr interessante Form scheint Niemandsland zu sein, ein persönlicher Stadtrundgang mit einem fremden Führer. Leider sind alle Aufführungen bereits komplett ausverkauft, was irgendwie für das Publikum dieser Stadt spricht.

Ich hatte mir glücklicherweise im Vorverkauf eine Karte für Between the Devil and the Deep Blue Sea gesichert, ein „Cabaret mit Animationsfilmen“ im Stil der 1920er Jahre, von denen ich ja ein großer Fan bin. Die Vorankündigung klang sehr interessant und skurril, und genau so war es dann auch: zwei Schauspielerinnen agieren, von einer Klavierspielerin begleitet, vor einer Leinwand und interagieren mit wunderbaren Trickfilmen, die dort zu sehen sind. Bizarr, poetisch, makaber und sehr, sehr schön. „Wer das Stück entdeckt hat, wird sich wundern und sich freuen“ schreibt die HAZ, und da ist ihr uneingeschränkt zuzustimmen!

Horror

27. Mai 2009

Ich war ja noch nie ein großer Hörspiel-Fan,  sondern habe immer lieber die Originale (=Bücher) gelesen.  Deswegen wusste ich auch nicht, wie furchtbar schlecht John Sinclair-Hörspiele sind. Man kann sie nicht wirklich ernst nehmen – und genau das tut das Vollplaybacktheater auch nicht, sondern parodiert sie auf Teufel komm raus.
Beim Horror-Schloss im Spessart ist das durchaus wörtlich zu nehmen, taucht das Böse in diesem Stück doch tatsächlich höchstpersönlich auf der Bühne auf – neben Rotkäppchen, Freddy Krueger, den drei ???, einem bekannten transsylvanischen Transvestiten, Gevatter Tod und vielen anderen Gestalten, die im eigentlichen Hörspiel wohl eher nicht vorkommen. Auch wenn mir das letzte Stück der Truppe noch besser gefallen hat (vielleicht auch, weil ich diesmal nicht alle Anspielungen verstanden habe) – der Besuch des Vollplaybacktheaters hat sich wieder mal gelohnt!

Wimmelbilder in der Oper

12. Februar 2009

Guys and Dolls Als Kind liebte ich die Wimmelbilder von Ali Mitgutsch . An diese fühlte ich mich gleich in der furiosen Anfangsszene von Guys and Dolls in der Oper erinnert: eine Vielzahl von Sängern und Tänzern verwandelte die Bühne in eine New Yorker Straßenszene um 1930, und vor lauter Menschen und Aktionen wusste man gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte. Im Verlauf des ersten Akts wurde die Handlung dann etwas entspannter – bisweilen sogar etwas zu ruhig, so dass man auf die nächsten Gesangs- oder Tanzeinlage wartete. Nach der Pause ging der zweite Akt jedoch schmissig weiter, und ein wirklich tolles Bühnenbild, gute Tänzer mit jazziger Choreografie, ein sehr gutes Sängerensemble und ein Spitzenorchester machten Guys and Dolls – trotz eher banaler Handlung – zu einem mitreißenden Musical, das vom Publikum frenetisch gefeiert wurde. Und da es im Laufe der Handlung immer wieder Wimmelbilder gab, könnte man sich das Stück glatt nochmal anschauen und jedesmal neue Details entdecken.

Die Schöne und das Biest

5. Februar 2009

ballhofEine schöne Nymphe, ihr junger Liebhaber und ein liebestoller Zyklop, der die Nymphe für sich gewinnen will – das hört sich nicht nach einer besonders spannenden Handlung für die Oper Aci, Galatea e Polifemo an. Georg Friedrich Händel aber (der im Februar vor 250 Jahren starb) gelang es, den Charakteren durch seine Musik Leben und Sympathie einzuhauchen, so dass man selbst für den Bösewicht Polifemo in seiner verzweifelten Einsamkeit Mitgefühl entwickelt. Würde das Stück barock-antiquiert inszeniert könnte sich dennoch Langeweile einstellen – die Staatsoper schafft es jedoch, mit einfachen Mitteln und in modernem Gewand einen spannenden und mitreißenden Opernabend im Ballhof zu gestalten. Hervorragende Sänger mit schauspielererm Talent und ein kleines aber feines Orchester sorgten für einen rundum gelungenen Abend, so dass sich der spontane Besuch dieser interessanten Spielstätte absolut gelohnt hat.

???

5. November 2008

Der gestrige Abend entwickelte sich erst nicht so vielversprechend: mein Kollege N. und ich waren extra früh losgefahren, um vor dem Besuch des Capitols noch schnell was zu essen. Leider stellte sich heraus, dass die Imbissdichte am Schwarzen Bären geringer ist als vermutet, so dass wir bis zur Limmer Straße laufen mussten. Als wir um zwanzig vor sieben wieder am Capitol ankamen (und dachten, wir wären viel zu früh, da erst ab sieben Einlass sein sollte),  schlängelte sich bereits eine übert hundert Meter lange Schlange vor dem Eingang.
Die Verwunderung über die hannöversche Disziplin und Vermutungen über das britische Erbe aus der Zeit der Personalunion waren verfrüht: kaum wurden die Eingangstüren geöffnet, verwandelte sich die Schlange binnen Sekunden in ein Menschenknäuel – wobei sich auch hier die Hannoveraner rücksichtsvoller zeigten als die karnevalskneipengestählten Kölner.
Im Capitol dann die nächste unangenehme Überraschung: Sitzplätze waren äußerst knapp und sämtlich belegt. Hatte sich das Schlangestehen also nicht mal gelohnt. Als Kollege N. dann auch noch zehn Minuten warten musste, bis er ein Bier bekam, war seine Stimmung ziemlich hin, und auch die dazugestoßenen übrigen Kollegen waren von zwei Stunden Dauerstehen nicht besonders begeistert.

Ich hatte schon etwas bereut,  zu einer Veranstaltung mitgegangen zu sein,  die mich eigentlich gar nicht besonders interessierte, als das Vollplaybacktheater begann und sich die Stinmmung abrupt hob. Meine (zugegebenermaßen sehr niedrigen) Erwartungen wurden haushoch übertroffen.
Die ohnehin schon sehr hanebüchene Story um die von Außerirdischen bedrohte Ranch wurde durch die Darstellung, die drumherin gebastelte Rahmenhandlung, Filmeinspielern, Tanzeinlagen und Schnipseln aus anderen Hörspielen oder Filmen vollends zum skurillen Parforceritt durch die Populär- und insbesondere SF-Kultur: neben echten Außerirdischen trat auch die Mannschaft der Enterprise TNG auf, die drei ??? verwandelten sich kurzerhand in TKKG, und der cholerische Ranchbesitzer wurde zum Großen Diktator, inklusive Tanz mit der Weltkugel . Die große Spielfreude, viele witzige Regieeinfälle und eine große Liebe zum Detail machten "Die drei ??? und die bedrohte Ranch" zu einem vergnüglichen Abend,  den auch die Darsteller als gelungenen Tourneeauftakt ansahen.