Reisende aus aller Herren Länder – aus Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, England, Frankreich, Polen und Russland – hängen gelangweilt am „Aéroport Charles X.“ herum, denn alle Flüge sind gestrichen. Man vertreibt sich die Zeit mit Lesen, Trinken, Kartenspielen, Singen und vor allem mit allerlei Liebesgeplänkel.
Klingt angesichts der momentanen Flugwetterlage äußerst aktuell – in Wirklichkeit handelt es sich allerdings um den Inhalt der Oper „Il Viaggio a Reims“ von Giacchino Rossini aus dem Jahre 1825! Natürlich spielt das Original-Libretto nicht in einem Flughafen, sondern in einem Gasthof, und die Gestrandeten warten nicht auf ihren Abflug, sondern auf frische Pferde. Der Staatsoper Hannover ist es aber sehr gut gelungen, die eher handlungsarme Oper, die gegen Ende ins Pathetische abgleitet (wurde sie doch anlässlich der Krönung des französischen Königs Karl X. komponiert) intelligent zu modernisieren und äußerst amüsant zu inszenieren. Die landestypischen Klischees der Wartenden werden persifliert, ihre Liebestollheiten karikiert, und die Szenerie des Flughafens wird voll ausgereizt, inklusive Sicherheitshinweisen. Das Libretto wurde behutsam verändert, und auch von den Übertiteln wird kreativ gebraucht gemacht.
Insgesamt eine sehr gelungene, lustige und unterhaltsame Inszenierung, die gesanglich, schauspielerisch und musikalisch ebenfalls keine Wünsche offen lässt. Auch für Menschen, die normalerweise nicht in die Oper gehen, wärmstens zu empfehlen!
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Reisende soll man nicht aufhalten
21. April 2010Weißes Band und weiße Wand
22. März 2010Schon erstaunlich, welche Parallelen, aber auch Unterschiede zwei völlig verschiedene Kunstwerke, die ich letzte Woche (endlich) sah, aufweisen können.
In „Das weiße Band“ geht es es (etwas überspitzt gesagt) darum, wie Kinder sich gegen die Unterdrückung und Unmenschlichkeit von Erwachsenen auflehnen. Das titelgebende weiße Band spielt dabei in der Handlung eine eher nebensächliche Rolle. In „Idomeneo“ geht es (wiederum überspitzt gesagt) darum, wie Menschen sich gegen die Unmenschlichkeit und Einflußnahme der Götter auflehnen. Eine weiße Wand kommt dabei weder im Titel noch im Libretto vor, spielt aber in der aktuellen hannoveraner Inszenierung eine entscheidende Rolle.
„Das weiße Band“ ist in glasklarem und sehr schönem Schwarz-Weiß, hat wunderbare, starke Bilder. Der hannoveraner „Idomeneo“ ist fast ausschließlich in Weiß inszeniert, von blutroten Einsprengseln abgesehen, und hat ein äußerst reduziertes Bühnenbild (das eigentlich nur aus der erwähnten weißen Wand besteht, die sich ständig dreht).
„Das weiße Band“ wird von erstklassigen Schauspielern getragen, vor allem in den Kinderrollen. „Idomeneo“ war gesanglich und musikalisch ebenfalls von hoher Qualität.
„Das weiße Band“ hat eine Länge von 138 Minuten, und ich habe mich in keiner davon gelangweilt. „Idomeneo“ war (mit Pause) ungefähr genauso lang, und zwischendurch fiel es mir doch gelegentlich schwer, die Aufmerksamkeit zu halten.
Und zu guter Letzt: Für „Das weiße Band“ habe ich erstmals das Kino am Raschplatz besucht, dass mir sehr gut gefällt. Für „Idomeneo“ war ich zum wiederholten mal in der Oper, die mir nach wie vor sehr gut gefällt.
Ich hoffe, dass mit soviel Weiß die gleichfarbige Jahreszeit endlich beendet ist und ab jetzt Grün vorherrscht!
Wallala Weiala Weia!
19. Dezember 2009Es ist eigentlich keine so gute Idee, sich zweieinhalb Stunden Wagner anzutun, wenn man schon den ganzen Tag so todmüde war. Und zwischendurch ist es mir dann wirklich schwergefallen, die Augen aufzuhalten. Aber die Karten waren halt schon gekauft, und die hochgelobte Neuinszenierung wollte ich mir auf jeden Fall ansehen. Und langweilig war es auch keinesfalls, insofern kann man den positiven Kritiken zustimmen. Wenn ich nur nicht so müde gewesen wäre…
Intrige, Erotik, Absurditäten
11. September 2009…darum geht es laut Programmheft vor allem in Mozarts Le Nozze di Figaro – na gut, auch noch um Gleichheit und Figurenspiel, aber die neue Inszenierung in der hiesigen Oper legt den Schwerpunkt vor allem auf diese drei Punkte. Und so wird auf der nur spärlich ausgestatteten Bühne intrigiert und konspiriert, gestritten, geprügelt und geliebt; im Publikum wird gesungen, ein Orchestermitglied stürmt aus dem Graben auf die Bühne, die Bühnenarbeiter bauen mitten im dritten Akt die Kulisse ab, und der vierte Akt findet auf leerer, dunkler Bühne statt. Nicht nur erotisch, absurd und intrigant ist die Inszenierung, sondern auch lustig – so lustig, dass eine der Sängerinnen zwischendurch einen Lachanfall bekam, bei dem ihre Kolleginnen und Kollegen sichtbar Mühe hatten, ernst zu bleiben. Das störte das Publikum nicht im geringsten, im Gegenteil: bei so viel Spielfreude und Sangeskunst waren die Zuschauer restlos begeistert. So macht Regietheater auch dem Abonnentenpublikum Spaß!
La Cenerentola
25. Juni 2009Da die Oper bald in ihre wohlverdiente Sommerpause geht habe ich gestern spontan die vorerst letzte Chance genutzt, die sehr gut besprochene Inszenierung von Rossinis La Cenerentola anzuschauen.
„Das soll angeblich so albern sein – ich find’s bezaubernd“ urteilte meine Sitznachbarin über die Regieeinfälle, ohne sich der Doppelbedeutung dieser Aussage wohl bewusst zu sein, spielt doch der Zauberer eine nicht unwesentliche Rolle in der Inszenierung. Schon während der Ouvertüre versucht er, ein über die Bühne hoppelndes weißes Kaninchen zurück in seinen Zylinder zu befördern, später lässt er dann Betten fliegen und Menschen erstarren, er versucht eher erfolglos, das Ensemble in Kaninchen zu verzaubern und sogar den Beifall des Publikums zu beenden; und natürlich verwandelt er Aschenputtel in die wunderschöne Frau, in die sich der Prinz verliebt.
Die Inszenierung betont also sehr das Märchenhafte der Geschichte, und das recht erfolgreich. Es wird chargiert, karikiert, ironisiert und das Buffeske der Oper ausgespielt. Dem vorzüglichen Orchester und den guten Sängerinnen und Sängern ist jedoch zu verdanken, das die Inszenierung – wenn auch hier und da vielleicht tatsächlich etwas albern – nie ins Lächerliche abrutscht und auch die tragischen Momente angemessen berücksichtigt, handelt es sich schließlich um eine Opera semiseria.
Wieder einmal eine sehens- und hörenswerte Inszenierung in der Staatsoper Hannover und ein schöner Abschluss der Saison!
Ich hab Rücken
11. April 2009Mit den Rückenschmerzen, die ich von der gestrigen Fahrradtour habe (und vielleicht noch vom Tischtragen am Donnerstag) waren die elastischen Verrenkungen, die die Tänzer bei der heutigen Vorrunde des Choreographenwettbewerbs teilweise darboten, noch viel bewundernswerter…
Wimmelbilder in der Oper
12. Februar 2009 Als Kind liebte ich die Wimmelbilder von Ali Mitgutsch . An diese fühlte ich mich gleich in der furiosen Anfangsszene von Guys and Dolls in der Oper erinnert: eine Vielzahl von Sängern und Tänzern verwandelte die Bühne in eine New Yorker Straßenszene um 1930, und vor lauter Menschen und Aktionen wusste man gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte. Im Verlauf des ersten Akts wurde die Handlung dann etwas entspannter – bisweilen sogar etwas zu ruhig, so dass man auf die nächsten Gesangs- oder Tanzeinlage wartete. Nach der Pause ging der zweite Akt jedoch schmissig weiter, und ein wirklich tolles Bühnenbild, gute Tänzer mit jazziger Choreografie, ein sehr gutes Sängerensemble und ein Spitzenorchester machten Guys and Dolls – trotz eher banaler Handlung – zu einem mitreißenden Musical, das vom Publikum frenetisch gefeiert wurde. Und da es im Laufe der Handlung immer wieder Wimmelbilder gab, könnte man sich das Stück glatt nochmal anschauen und jedesmal neue Details entdecken.
Die Schöne und das Biest
5. Februar 2009Eine schöne Nymphe, ihr junger Liebhaber und ein liebestoller Zyklop, der die Nymphe für sich gewinnen will – das hört sich nicht nach einer besonders spannenden Handlung für die Oper Aci, Galatea e Polifemo an. Georg Friedrich Händel aber (der im Februar vor 250 Jahren starb) gelang es, den Charakteren durch seine Musik Leben und Sympathie einzuhauchen, so dass man selbst für den Bösewicht Polifemo in seiner verzweifelten Einsamkeit Mitgefühl entwickelt. Würde das Stück barock-antiquiert inszeniert könnte sich dennoch Langeweile einstellen – die Staatsoper schafft es jedoch, mit einfachen Mitteln und in modernem Gewand einen spannenden und mitreißenden Opernabend im Ballhof zu gestalten. Hervorragende Sänger mit schauspielererm Talent und ein kleines aber feines Orchester sorgten für einen rundum gelungenen Abend, so dass sich der spontane Besuch dieser interessanten Spielstätte absolut gelohnt hat.
Zauberflöte
18. Dezember 2008Sehr gute Kritiken hatte die Inszenierung meiner Lieblingsoper in Hannover erhalten, so dass ich natürlich nicht umhin kam, sie am Mittwoch zu besuchen. So ganz kann ich die Begeisterung aber nicht teilen: sowohl musikalisch als auch dramaturgisch fand ich es eher mittelmäßig. Herausragend allerdings Stefan Zenkl als Papageno mit Wiener Schmäh und toller Stimme. Die übrigen Sängerinnen und Sänger waren auch nicht schlecht, die Dynamik des Dirigenten fand ich allerdings zu „extrem“: die langsamen Tempi zu langsam, die schnellen zu schnell.
Ganz witzig war es allerdings, auf meinen Vorstandsvorsitzenden samt Ressortleiter beim „Weihnachtsausflug“ zu treffen…
Ein Video zur Produktion gibt es hier.